Die Revolution ist das größte, alles andere ist Quark.
Rosa Luxemburg

Mittwoch, April 11, 2007

Und plötzlich bin ich arm

Das haben ja schon einige probiert, als das Arbeitslosengeld II eingeführt wurde, meinten einige Journalisten den eingebetteten Reporter spielen zu müssen und sich auf das finanzielle Niveau des "Hartz-IV-Empfängers" begeben zu müssen. Klar, dass der wöchentliche Theaterbesuch, das Mittagessen im Borchert oder der Urlaub in Italien ausfallen müssen. Emanzipation oder Barbarei macht auf eine weitere zynische Aktion aufmerksam: Bürgerfamilie Schawohl fastet als Hartz-IV-Familie. Die armen kleinen können nicht mehr zum Musikunterricht und auf dem Abendbrottisch gibts wohl nur noch trocken Brot und an Feiertagen eine Gemüsebrühe. Die Perspektive, die in dem Artikel eingenommen wird, ist die typisch bürgerlich-kapitalistische:

Das Fazit aber steht schon fest: Mit Hartz IV auszukommen, das sei "eher überleben als leben", findet Lennart. Alles, was der Horizonterweiterung diene, ob Bildung, Kultur oder das Gespräch mit Freunden, werde erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht. Das Selbstwertgefühl nehme ab, die Wertschätzung durch andere auch.


Einleuchtend, dass Kultur oder Bildung Geld kosten welches nur mit Abstrichen in anderen Bereichen ausgeglichen werden kann. Warum der Kontostand dem Gespräch mit Freunden im Weg steht ist mir nicht klar. Mit den falschen Freunden, die wegen der Kohle ihre Wertschätzung lieber anderen entgegenbringen, würde ich mich sowieso nicht mehr unterhalten. Vielleicht hätte Papa Schawohl mal in eine Trinkhalle gehen sollen um mit Menschen seinesgleichen zusammen zu sein. Wahrscheinlich wäre er aber verprügelt worden, wenn er verraten hätte, dass dies alles nur ein "Planspiel" sei. Denn schließlich: "Am Ostersonntag gab es dann endlich die lange vermissten Croissants."

Ich will den Lebensstandard mit ALG-II ja nicht beschönigen, es ist sicher kein Luxus. Allerdings lebe ich - eher unfreiwillig - genauso wie Familie Schawohl auch seit Aschermittwoch mit 345 Euro + Miete - nur dass es am Ostersonntag nicht vorbei war. Zugegeben, eine Altbauwohnung mit Ofen ist nicht jedermanns Sache, auf meine Sonntagscroissants muss ich dennoch nicht verzichten. Auch an Kultur mangelt es nicht und Essen kommt bei mir grundsätzlich aus dem Bioladen.

Vielleicht wäre ein kleiner Perspektivwechsel nötig: klar kann man mit dem entsprechenden Geld alles kaufen. Die Frage ist nur: ist es nötig? Genau diese Frage hätte sich Famlilie Schawohl beantworten können: Mit ein wenig Selbstorganisation lassen sich viele Dinge ohne (viel) Geld beschaffen. Bücher muss man nicht kaufen, man kann sie borgen. Lebensmittel können in Einkaufgemeinschaften organisiert werden; oder in Kooperation selbst produziert. Statt Kultur nur zu konsumieren, kann auch diese selbst gestaltet werden. Ein Tag am Baggersee kann spannender und erholsamer sein, als der Pauschalurlaub von TUI. Statt nach immer mehr Geld zu rufen, wäre es eine bessere Perspektive zu überlegen wie man möglichst unabhängig von der Geldlogik werden kann. Netzwerke, wie das Leihnetzwerk oder NutzerInnengemeinschaften zeigen erste Möglichkeiten auf. Viel mehr Ideen und Projekte werden im Anders Leben-Wiki gesammelt. Dass eine solche Perspektive für den Mainstream schwer ist, ist mir klar. Ich will allerdings kein Mitleid mehr - weder von Kleinbürgern die Hartz IV spielen, noch von Journalisten die meinen, sich an den "Rand der Gesellschaft" zu begeben. Klar will ich "Alles" und klar "umsonst". Das muss aber organisiert werden - die kapitalistische Gesellschaft wird mir's sicher nicht geben.

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1 Comments:

Anonymous Anonym said...

Die bürgerlich-kapitalistische (bk) "Gesellschaft" ist ihrem Wesen nach asozial. Sie beruht auf dem Tausch, dem ungleichen Tausch. Wobei der einfache Tausch bereits der unsoziale Akt an sich ist. Denn dabei Interessiert nicht der andere Mensch als Mensch sondern nur das Tauschgut auch wenn der andere Mensch dieses Tauschgut ist, was die Sache nur in ihr Extrem treibt.

Weiter - Geld ist nichts weiter als
das Kommando über fremde Arbeit in fetischistischer Form als seine Verdinglichung.In Gesellschaft der Geldware ist eine menschlich gesellige Gesellschaft ein Ding der Unmöglichkeit.

Weiter - die bk "Gesellschaft" begründet sich darauf das die Majorität der Menschen in der "Weltgemeinschaft" als korruptes Menschenprodukt (Humankapital) erzeugt wird. Dabei ist Korrupt nichts weiter als die Käuflichkeit (Lohn).
Das Humankapital hat die Aufgabe sich zu Prostituieren (klassisch ausgedrückt: sich vorne hinzustellen, sich anzubieten und sich zu Erniedrigen - die Geschlechtsprostitution ist nur der herausgestellte Sonderfall und unter dem Aspekt der monotheistischen Religionen als Unterdrückung der Leidenschaften und deren kommerziellen Ausnutzung/Ausbeutung relevant)
Weiter - Dieser Menschenhandel findet unter gerechten Bedingungen statt. Das Prinzip der Gerechtigkeit im bk. Sinne ist der gleiche Maßstab für Alle. Da die Individuen aber unterschiedlich im universellen Sinne sind führt dies zwangsläufig zu enormen Unterschieden bis hin zur Tötung im Namen der Gerechtigkeit. Das Harz IV Asozialisationsgesetz (säkularisierte Form der Religion) ist eine Vorstufe dafür.

Weiter - die Bedingung aller
Klassengesellschaft ist die Trennung von toter und lebendiger Arbeit. Mit der Aufhebung der Arbeit als Begeistung ihres toten Anteils wird Klassengeselligkeit unmöglich, wobei die Biologisierung des toten Anteils eben dieses vermag und kein noch so gut gemeinter Revolutionarismus das Ersetzen kann wenn es diesen Prozess auch, richtig Verstanden, bedingt beschleunigen kann. Das ist auf jeden Fall polizeiwidrig, wie alles was sich praktisch kritisch Auftut und der Majorität der Menschen letztendlich nützt zu einer neuen Geselligkeit zu kommen.

Dieser Prozess ist im historischen Beginn.

Die letzte wissenschaftliche-technische Revolution (Mikroelektronik) ist nicht dazu geeignet der Metaepoche der Klassengesellschaft den Garaus zu machen weil sie zwar Vorbedingung aber nicht Lösung des Grundproblems ist.

Günter und Cornelia chef und chefin aller göttinnen und götter

Donnerstag, 20 September, 2007

 

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