Die Revolution ist das größte, alles andere ist Quark.
Rosa Luxemburg

Mittwoch, April 20, 2005

gewissenhaft fliegen

Seit knapp zwei Jahren schießen Billigairlines aus dem Boden. Fliegen ist in, Fliegen ist kein Luxus mehr. Bahnfahren ist zu teuer (abgesehen davon noch unkomfortabel und hat den Service-Charme eines Staatsunternehmens) und ebenso out wie Bundeswehrparka und Korksandalen. Jetsetter - ob ALG-II-Empfänger oder Bankkauffrauen - fliegen um die Welt als wäre sie ein globales Dorf. Wen kümmern bei einem 1-Cent-Flug nach Barcelona noch die 340 Kilo Kohlendioxid pro Passagier, die direkt in die Atmosphäre geblasen werden? Aber auch die teuren Fluglinien kümmern sich einen Dreck um die Schäden, die sie verursachen - sie machen halt einfach mehr Gewinn und können ihren Angestellten mehr Freiflüge offerieren. Den Unternehmen ist es im nahezu freien Kapitalismus eben auch nicht zuzumuten für die Umweltkosten die sie verursachen auch noch aufzukommen - wo kämen wir denn hin.


foto: (cc) caterina

Dafür kann der umweltbewusste Endverbraucher tatsächlich etwas tun. Wer auf den Kurzurlaub jenseits des Äquators nicht verzichten und dennoch sein Gewissen streicheln will, dem sei Atmosfair empfohlen. Zugegeben, der Name der Initiative ist nicht sehr originell, man denke an Fairtrade, Transfair und andere faire Wortspiele. Die gemeinsame Initiative des forum anders reisen und der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch ermöglicht es - ähnlich wie die großen beim Kyoto-Abkommen - die durchs fliegen produzierte CO2-Belastung an anderer Stelle wieder einzusparen. Auf der Website des Projekts findet sich ein Emmissionsrechner der die CO2-Belastung nach Flugstrecke und Flugzeugtyp berechnet. Zusätzlich wird angegeben, wieviel Geld man in ein Klimaschutzprojekt stecken müsste um den Schaden auszugleichen. Durch die Spende in der jeweiligen höhe werden Projekte wie Solarküchen in Indien oder Rußfilteranlagen finanziert. Besser wäre es natürlich aufs Fliegen ganz zu verzichten, der Urlaub am Senftenberger See mag ja schließlich auch seinen Charme haben.

Sonntag, April 10, 2005

Der Kampf hat begonnen

Nach dem Anti-Graffiti-Kongress rüsten sich die Gegner zum Kampf gegen das Übel. Der Freund und Helfer kümmert sich gemeinsam mit dem braven Bürger nun endlich darum dann Farbschmierereien bald der Vergangenheit angehören, denn natürlich ist Sauberkeit und Ordnung oberstes Gebot in Deutschland.

Laut Yahoo-News will Putzmann Otto Schily nun mit Hubschraubereinsätzen gegen die Schmiervandalen vorgehen. Nach einem "erfolgreichen Test" in Berlin; was mir erlärt, warum ich letzten Montag von einem stundenlang kreisenden Hubschrauber über meinem Haus geweckt wurde. Ob das Massenwecken nun verhältnissmäßig ist, ist zu bezweifeln. Es hilft allerdings jenen, die als Kopfgeldjäger die Schmierfinken auf frischer Tat ertappen wollen. 750 Euro kann man sich in Charlottenburg-Wilmersdorf steuerfrei dazuverdienen, wenn man Sprayer verpfeift. Willkommen im Spitzelstaat.

Mir würde es reichen, die Polizei würde verhindern, dass mir alle halbe Jahre das Fahrrad geklaut wird. Doch stattdessen laufen sie in Kampfanzügen durch die Straßen, als sei Bürgerkrieg um irgendwelche Graffitikids zu fangen: Als ich vor ca. 2 Jahren ziemlich betrunken von einem Kumpel nach Hause kam wurde ich von zwei Polizisten in Kampfmontur aufgehalten. Die beiden Kriegseinsätzler waren nicht etwa auf der Suche nach einem Top-Terroristen, als sie in meiner Tasche statt Sprühfarbe nur ne Flasche Sternburg fanden, zogen sie ihrer Wege. Mich hätte es an diesem Abend nicht gewundert, wenn Panzer auf der Frankfurter Allee gestanden hätten.

Sieht so aus, als hätte der Krieg begonnen. Na denn, Pack die Sprühdose ein, nimm dein kleines Schwesterlein (minderjährig und nicht straffähig): Berlin bleibt bunt!

Sonntag, April 03, 2005

Endlich sauber

Ob Graffiti nun Kunst, Selbstdarstellung, Reviermarkierung oder Schmiererei ist, die bunten Tags und Bilder gehören zu einer Großstadt genauso wie Autolärm und Hundescheiße und im Gegensatz zu letzteren beiden ist Graffiti Geschmackssache und stört maximal das ästetische empfinden einiger Menschen.



Anders sieht das der Verein Nofitti, die unter der Schirmherrschaft des Bürgermeisters Klaus Wowereit am 7. April den ersten Anti-Graffiti-Kongress ausrufen. Soweit so lächerlich und während im Berliner Rathaus BVG, Spießbürger und Polizei über das beste Lösungsmittel diskutieren demonstrieren draußen hunderte "äußerst brutal und mitunter bewaffnet agierende Sprayer, Schmierfinken und Sprühterroristen" (Berliner Morgenpost) und verschmutzen das Eigentum der Bürger.

Solche Verbalatacken zeigen, dass wir weit von aktzeptierenden Konzepten entfernt sind. Ausdrucksformen einer Jugendkultur sind weder Terrorismus noch bewaffnete Überfälle. Maximal sind sie Ausdruck von Ödniss und Langeweile, eher aber Abenteuer und das Ausleben einer Kreativität die Schule, Ausbildung oder Konsumtempelgesellschaft nicht bieten können, protest gegen eine durchkommerzialisierte Welt. Mir machen diese Schmierereien Freude. Es gehört schon eine gehörige Portion verbissenheit dazu, zum Beispiel wie unser Hausmeister jeden zweiten Tag die Tür zu überstreichen. Wer glaubt, Graffitis bekämpfen zu können (schon der Begriff lässt mich schaudern) hat schon verloren. Es ist ein "Kampf" gegen eine Kultur, einen Lebensstil und den lässt sich niemand wegnehmen.