Die Revolution ist das größte, alles andere ist Quark.
Rosa Luxemburg

Mittwoch, November 24, 2004

mag04: Indymedia feiert Geburtstag

Vor fünf Jahren fand in Seatlle der erste große Antiglobalisierungsprotest statt. Indymedia liefert seitdem direkte und unabhängige Berichterstattung der politischen und sozialen Bewegungen

Als Gegeninformation zu den oft unvollständigen und tendenziösen Berichten der Mainstreammedien liefern die Aktivisten Erfahrungsberichte aus der "ersten Reihe" von Demonstrationen, Kongressen oder aktuellen politischen Ereignissen. Indymedia ist zur wichtigsten Informationsquelle für unabhängige Berichterstattung geworden. Das Konzept ist dabei einfach und überzeugend: jeder kann hier Artikel und Berichte einstellen und es gibt nahezu keine Zensur seitens der Administratoren. Durch die Einfachheit dieses Tools ist es selbst Computerlaien möglich, Artikel im Web zu publizieren. Hierdurch werden Hierarchien vermieden - Indymedia ist teil der politischen Bewegungen.

Inzwischen gibt es in fast jedem Land ein - oder mehrere Independent Media Centers (IMCs), also Websites, die auf der Software und den Grundsätzen von Indymedia basieren. Sie sind der Beweis, dass das Internet Strukturen bietet, die die Medienwelt revolutionieren können. Unabhängige Information ist ein Menschenrecht, das mit dieser Technik verwirklicht wird. Dass die Mächtigen mächtig Angst vor dieser Technik bekommen zeigen die kürzlichen Zensurversuche in Europa und den USA. Trotz allem: fünf Jahre Indymedia sind fünf Jahre unabhängige und freie Berichterstattung, etwas was unsere "Demokratie" genauso gebrauchen kann, wie Diktaturen. Und das wird gefeiert: mag04.

Montag, November 22, 2004

der Fremde in der Fremde

Integration von Immigranten, die multikulturelle Gesellschaft und die westlichen Werte

Seit der Ermordung des Filmemachers Theo van Gogh und der angeblichen neuen Gewaltserie in den Niederlanden wird wieder über islamische Paralellgesellschaften und ähnliche Überfremdungsfantasien geschwafelt. Man brauche mehr Integration - ist da zu hören; die multikulturelle Gesellschaft sei gescheitert; ja: gar das gesamte holländische Integrationsmodell sei ein Fehler gewesen. Ein vermutlich radikal denkender Mensch dreht durch und ermordet einen anderen und das ganze Integrationsmodell ist gescheitert? Und wenn mal eine Ampel ausfällt, ist das Verkehrsregelungskonzept gescheitert, was? Da scheint es wohl auch dem Magazin Telepolis wichtig eine dermaßen bekloppte Umfrage zu starten, die genau diese Einstellung reproduziert: Wo liegen die "Grenzen der Toleranz?"

multivitaminFoto: ivo


Was bedeutet Integration? In so genannten Nationalstaaten wie unserem geht man immer von einer Mehrheitsgesellschaft aus, in die der "andere" integriert werden soll. Die Mehrheit, die sich auf ihre Kultur etwas einbildet, ist wohl vor allem daran interessiert, dass der "andere" sich anpasst. Wer in Deutschland wohnen will, muss auch deutsch sprechen - gekleidet sein - sich deutsch verhalten. Was aber hat der "andere" verbrochen, dass man ihn zwangsweise verdeutschen muss? Und was ist richtig - oder richtiger an der deutschen Kultur? Die Verhaltensweisen an ihm, die nicht zu verdeutschen sind, muss die Mehrheitsgesellschaft dann "tolerieren".

So das Konzept. Aber geht es denn um Toleranz, also die (oft zähneknirschende) Duldung von Abweichungen? Wenn es wirklich darum ginge, könnten wir tatsächlich um die "Grenzen der Toleranz" verhandeln. Nach meiner Betrachtung geht es allerdings vielmehr um Kommunikation und Akzeptanz. Sicher: ich kann irgendwelche mir unverständlich erscheindenden Abweichungen tolerieren. Wie wärs denn aber mal, wenn ich versuche zu verstehen, wenn ich den "anderen" frage, warum er dies und das tut, wenn ich meine eigenen Verhaltens- und Lebensmuster transparent mache?

Unsere Gesellschaft besteht nunmal aus Menschen mit unterschiedlichen Herkunftskulturen, verschiedenen kulturell bedingten Handlungsmustern, Sprachen und Farben. Die Frage der Integration darf nicht ausgehen von einer Toleranz der Mehrheit gegenüber Minderheiten, sie muss auf Kommunikation und Offenheit basieren. Die Umfrage bei Telepolis geht daher an dem wichtigsten Punkt vorbei: wir leben in einer Zuwanderungsgesellschaft und brauchen keine Menschen in nationale Systeme zu integrieren, denn die Nation ist in dieser Organisationsform bereits abgeschafft. Ihre Bürger müssen einen ehrlichen Austausch miteinander pflegen. Interesse und Kommunikation für und mit dem Nachbarn wie den Fremden sind die Grundsteine einer nach-multikulturellen Gesellschaft, in der nicht die Kulturelle Identität sondern der Mensch im Mittelpunkt steht.

Mittwoch, November 17, 2004

Die Zukunft ist eine ökonomische Seifenblase

In Kooperation mit dem Bayrischen Rundfunk präsentiert die Gruppe monocrom die Hörspielreihe Zukunftslektorat. In einem dialektischen Zwiegespräch analysieren die Sprecher auf unterhaltsame Weise "Zukunftsentwürfe aus den Bereichen Forschung, Schlager, Innenpolitik, Mittelstand, Volksmusikfachzeitschriften, Internetpräsenz und gesunder Menschenverstand, die ihnen dabei über den Weg laufen, um sie so zu verstehen, zu erklären und zu verbessern."

Die Reihe gibts hier zum Download.

Samstag, November 13, 2004

TechnoCrime

Wer tanzt begeht keine Verbrechen, denkt man und so sollte es auch sein. Die Loveparade ist längst zum Berliner Touristenevent avanciert, da sollte man es nicht für möglich halten, dass immernoch tanzende Musikfans für Verbrecher gehalten werden. Dass dem nicht so ist, beweist mal wieder ein (süddeutsches) Gericht: am Donnerstag wurde der vermeintliche Veranstalter des Southtek 2004 in seiner Abwesenheit wegen Verstoßes gegen das Waldgesetz zu einer Strafe von mehreren tausend Euro verurteilt.

Das Southtek bewegt sich im Umfeld der Free-Party-Szene. In ganz Europa gibt es übers Jahr verteilt Teknivals - Partys umsonst und in der Natur, jenseits kapitalistischer Verwertungsinteressen, Just for fun, könnte man sagen wenn so ein Teknival nicht schon ein politisches Statement wär: gegen kommerz, für eine community und gemeinsames freies handeln. Und so handelten und feierten die Besucher gemeinsam und unkommerziell bis die Polizei den Saft abdrehte.

Sowas ist nicht neu und passt ins System: das was sich der Verwertung entzieht, Alternative Strukturen, die aufgebaut werden, wird plattgemacht und illegalisiert. Friedlich tanzende sind hier nicht erwünscht. Wo kämen wir denn hin, wenn alles, wofür man heute Geld zahlen muss, auch kostenlos von freiwilligen bereit gestellt wird? Ähnlich geht es gerade den ex-Hausbesetzerkneipen in Berlin-Friedrichshain: die SimonDachStraßenKommerzKneipenSzene sieht sich neuerdings bedroht von den Billiganbietern aus dem Autonomen Milieu. Monopoly schlägt zu, Alternativen zum Kapitalismus könnt ihr woanders suchen - jedenfalls nicht hier.

Donnerstag, November 11, 2004

Online GEZ (2)

Ich hatte es ja schon erwähnt dass die Online-GEZ, also Rundfunkgebühren auf Computer mit Internetverbindung, großer Blödsinn ist. Einen lesenswerten, engagierten Beitrag zur Diskussion verfasste PaffiNueppel bei TriTraTrotz.

"Denn die Bürger hierzulande haben ein Recht auf Qualität, haben ein Recht auf Vielfalt, ein Recht auf Komplexität und Anstrengung. Unterhaltung und Sedierung gibt's nebenan genug. Und auch die Privaten haben mittlerweile mit dem Schwund ihrer Hirne feststellen müssen, daß mit Müll allein keine Quote mehr zu machen ist.

BLÖDHEIT ZAHLT SICH NICHT MEHR AUS. BOYKOTTIERT DIE INTERNETGEBÜHREN DER ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN!"

Mittwoch, November 10, 2004

Goodbye Mischkasette?

Sie haben Angst um ihre Renten und Pensionen, ihre Jobs und Vorstandsgehälter; die Lobbyisten einer Industrie die der Vergangenheit angehört. Die gute alte Musikindustrie werkelt mit der Bundesregierung an ihren letzten Zuckungen. Nach den Klagen gegen Tauschbörsennutzer, der unsäglichen Kampagne Copy kills Music soll in der neuen Fassung des Urherberrechts das Recht auf die Privatkopie abgesägt werden.

So wollen die Phonoverbände erreichen, dass Konsumenten Privatkopien nur noch vom eigenen Original anlegen dürfen. Außerdem soll man in Zukunft nur noch für sich selbst kopieren dürfen, jedoch nicht mehr für Freunde oder Bekannte.


Mischkassette adé. Dabei finanzieren die Privatkopierer ihre Musik bereits über die sogenannte Leermedienabgabe, also Aufschläge beim Kauf von Rohlingen, CD-Brennern und so weiter. Wird eigentlich darüber diskutiert, ob diese Abgabe dann auch der Vergangenheit angehört? Immerhin zahle ich knapp 8 Cent pro Rohling, selbst wenn ich nur meine Fotosammlung auf CD brennen will.

Eine Mix-CD zu Weihnachten wird also bald zur heiklen juristischen Anglelegenheit. Ob das alles was bringt, wird sich zeigen, denn im Moment und trotz Klageandrohung sharen und kopieren die Musikfans in den Tauschbörsen munter weiter. Auch möchte ich mal wissen, welche Behörde sich denn um die Umsetzung des Gesetzes kümmern soll. Werden in Zukunft in GEZ-Manier die GEMA-Spitzel um die Blöcke ziehen um die neue Madonna-CD-R zu konfiszieren? Oder ist dies die Stunde des Blockwarts, der auf Geburtstagsparties nach Selbstgebranntem ausschau hält? Die Forderung zur Abschaffung der Kumpel-zu-Kumpel-CD gleicht wohl eher dem letzten Aufbäumen eines zu tode geweihtem. Dass es längst alternative Vertriebssysteme für Musik gibt, bei denen die Künstler selbst das Heft in die Hand nehmen, dürfte sich auch bis in die Vorstände von BMI und Universal rumgesprochen haben. Die Zukunft gehört der niedlichen Kartoffel. Die Industrie ist endlich tot. Es lebe die Musik!

Samstag, November 06, 2004

Schluss mit Lustig, erster Mai, keiner mehr dabei


Da sich trotz der Gürtel, die der kleine Mann schon zur Ankurbelung der deutschen Konjunktur enger geschnallt hat - nennen wir sie Lohnverzicht, Rentenkürzung, Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld, naja, der Beispiele gibt es viele - also da trotz ganzen Kurbeln und Verzichten, des Enger und Engerschnallen, da trotz allem die Konjunktur kein bisschen zu Rucken gedenkt, denken sich die Verantwortlichen, war noch nicht genug Verzicht.

Vielleicht erholt sich die gute alte Tante Konjunktur, wenn wir etwas auf Erholung verzichten. Ein Feiertag muss weg, und wo die SPD recht hat, da hat sie ja auch recht: der 3. Oktober tut niemanden wirklich weh, und wenn er jedes Jahr ein Sonntag wär, könnten Patrioten feiern und der Rest der Welt wie immer Samstagnacht: Party - Sonntag schlafen. Aber eine Demokratie wär keine Demokratie, wenns nicht diskutiert würde und so schießt die Opposition zurück, "geradezu hirnrissig und unpatriotisch" ist da zu lesen, "geradezu skandalös" sei die Sache.

In grandioser Geschwindigkeit, nach sage und schreibe 24 Stunden zieht der Kanzler die Idee zurück, doch natürlich haben der Bund der deutschen Industrie und seine politischen Freunde bereits einen Vorschlag, wie die 500 Millionen jährlich doch noch in die Bundeskasse; und erhebliche Mehreinnahmen ohne Mehrausgaben in die Kassen der Unternehmen fließen könnten: wie wärs mal wieder mit der 40 Stunden Woche? "Am Samstag gehört Papi seinem Fließband!" rufts aus CDU und BDI, und die gelbe Sonne verdunkelt sich langsam. Noch eins, Gewerkschaften? Wer hat noch nicht,SPD? "um mehr Wachstum in Deutschland zu erzielen, solle es grundsätzlich kein Tabu sein, Feiertage abzuschaffen. «Denkbar wäre hierfür der 1. Mai.»"

Okay, der Tag der deutschen Einheit ist gerettet. Das heisst aber nicht, lieber Leser, dass Du jetzt durchatmen kannst. Immer schön dran denken: Gürtel enger schnallen, hier wird geruckt und gezuckt, bis sich das Karussel der Konjunktur wieder dreht.

Mittwoch, November 03, 2004

Wahltag


Bald wird es vorbei sein mit dem Rummel: Dass die US-Wahl schon seit Wochen das TopThema in Deutschlands Medienwelt ist, haben wir sicher nicht nur dem Golf-Krieg und Michael Moore zu verdanken. Komischerweise erhitzt man sich hierzulande mehr darüber, wen der US-Amerikanische Souverän zum Präsi macht, als darüber, welche Schurken und Idioten hierzulande Politik machen dürfen. Klar, die USA stellen eine Macht, die nicht zu unterschätzen ist. Fakt ist, dass sich diese Macht allerdings weniger in der Präsidentenfigur manifestiert, sondern vielmehr in den Geldgebern der Politik. Und die ändern sich nicht, egal ob Bush egal ob Kerry. Die einzigen für die der Wahlausgang einen Unterschied machen dürfte sind die Parteien und Kandidaten selbst, die - je nach Ausgang - der eine mehr, der andere weniger Arbeit haben dürften.

Der große Verlierer der Wahl wird jedenfalls die Wahl selbst sein, denn diese wurde - wenn man der Berichterstattung glauben darf - heute abgeschafft. Die Zeit attestiert den Elektronischen Wahlmaschinen von Diebold, die unter anderem bei der Stimmenzählung eingesetzt werden schomal, sie seien einfacher zu hacken als Limonadenautomaten. Dies mag zwar bezweifelt werden, doch gibt es durchaus gute Gründe den Maschinen zu Mißtrauen. Sie sind nämlich genau das, was man gemeinhin als Black Box bezeichnet: Eingabe --> schwarze Kiste --> Ausgabe. Doch was zwischen Ein- und Ausgabe passiert, ist nicht einmal für die Programmierer der Geräte nachvollziehbar. Unautorisierte Updates der Firmware waren in der Vergangenheit schonmal Grund, eine Wahl zumindest anzuzweifeln. Die Firmware selbst ist Closed, also nicht einsehbar, was den mündigen Bürger zu Recht stutzig macht. Die Wahl wird damit zu einem undurchschaubaren Prozess, bei dem an keiner Stelle nachgeprüft werden kann, ob hier manipuliert und gefälscht wurde oder nicht.

Aber die Zunkunft ist nun mal bunt und zum klicken da und Wahlzettel wirken irgendwie Old-School. Und da sich sowieso nichts ändert und Wahlen bisher alles nur noch schlimmer gemacht haben, ist das auch alles kein Grund sich aufzuregen. Nach der Wahl ist vor der Wahl, nach dem Krieg ist vor dem Krieg. Und so lange ich nicht Online-Wählen darf (natürlich mit Zertifikat und SSL-Verschlüsselung) geh ich eh nich zur Wahl.

Dienstag, November 02, 2004

Arbeiten statt Betteln - 1 Euro Jobs und seine Vorgänger


Um 1750 hieß das Motto "Arbeiten statt Betteln", das zum Aufbau so genannter Arbeitshäuser geführt hat. Hier sollten diejenigen, die der Mehrheitsgesellschaft auf der Tasche lagen durch Arbeit umerzogen werden. Man erkannte in den Bettlern und Obdachlosen nicht etwa Menschen, die aus verschiedenen Gründen durch alle sozialen Bindungen gerutscht sind, sondern solche mit der Krankheit Faulheit. Nicht selten konnten solche Anstalten übrigens von den Nazis ohne viel Aufwand in KZs umgewandelt werden.

Heute ist es nicht anders, seit Oktober gibts die staatlich subventionierten 1-Euro-Jobs. 1-Euro-Jobs sollen "zusätzlich" sein "und keine vorhandenen Arbeitsplätze ersetzen". Sie sind also unnötig. Das heisst der Nutzen ist nicht das, was aus der Arbeit entsteht, der Nutzen liegt in der Arbeit selbst: Wer der Mehrheit auf der Tasche liegt, soll arbeiten um von der Krankheit Faulheit geheilt zu werden, um wieder Mensch zu werden. Kommt Dir bekannt vor? Mir auch, denn ich hab auch den ersten Abschnitt geschrieben. Ein Euro-Jobs sind Disziplinierungsmaßnahmen, staatliche Erziehung. Und sie haben eine lange und finstere Tradition in Deutschland.