Die Revolution ist das größte, alles andere ist Quark.
Rosa Luxemburg

Samstag, April 29, 2006

Service: Wo lang am ersten Mai?

Der erste Mai ist traditionsgemäß Kampftag der unterdrückten und alten wie neueren sozialen Bewegungen. Diese Bewegungen manifestieren ihren Kampf um mehr Rechte, Teilhabe oder Revolutionen in mehr oder weniger großen oder gewaltigen Demonstrationen. Damit der wehrte Leser den Überblick behält und nicht in die falsche Demo stolpert hier der Demoführer Erster Mai 2006 für Berlin:

Frühaufsteher und Antifaschisten treffen sich schon morgens um 5:45 am Alex. Von dort nehmen sie den Regionalzug nach Rostock um dort einen Naziaufmarsch zu verhindern.

Wer es eher traditionell und Arbeiterklassenmäßig mag, könnte sich um 7.30 Uhr am DGB-Haus der 1.-Mai-Demo der Gewerkschaften anschließen. Hier kommen auch Rollerskater, Rad- und Motorradfahrer mit einem jeweils eigenen Korso auf ihre Kosten. Libertäre und Anarchisten können sich hier auch dem Schwarz-Roten Block der FAU anschließen ("bei den schwarz-roten Fahnen"). Die Demo beginnt um 9.00 Uhr.

Zum ersten mal wird es in Berlin eine EuroMayday-Parade geben (psychoglobal berichtete). Prekarisierte und solche, die es werden könnten treffen sich zum Tanz für mehr soziale Rechte um 16.00 Uhr am Spreewaldplatz in Kreuzberg. Begleitet von Musik wird zum Umsonstbufet am Hermannplatz getanzt.

Um 18.00 Uhr ("pünktlich") schließlich beginnt der berühmte und traditionelle 1. Mai-Riot in Kreuzberg. Ein autonomes 1.-Mai-Bündnis (ich natürlich nicht!!) ruft zu einem Kiezspaziergang rund um das MyFest auf. Hier gilt wie immer: Autos nicht in der Nähe des Oranienplatzes parken.

Egal auf welcher Demo Du marschierst - es gilt wie immer: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Die Rote Hilfe bietet eine umfangreiche Vorbereitung mit dem Demo-1x1.

Musiktipp: 8-Bit Dub

Ein Musiktipp für Dub-Fans Rastas die sich auch gern an ihre Atari oder C64-Zeiten erinnern: Das Netlabel Jahtari veröffentlicht Dub mit 8-Bit-Vibes. Der wahre C64-Kracher ist sicher der Mix zum International Karate-Soundtrack von disrupt - dem Labelgründer:



INTERNATIONAL KARATE CHAMPIONSHIP

Wem die fiepsigen Atari-Klänge zu viel sind findet auch traditionelleren Dub - alles ein bißchen LoFi und ausm Laptop - aber ziemlich fein und hörenswert. Der Tipp kommt von Phlow.net und zum Label mit allen downloadbaren Tracks kommt ihr hier.

Aktionstag: "Zieht doch selber um"

Im Vorfeld des Berliner Mayday fand am Freitag ein Aktionstag gegen Zwangsumzüge, Lohndumping und Hartz IV in Berlin-Neukölln statt.
An einer abendlichen Videokundgebung nahmen über 100 Personen Teil. Neben einem Auftritt des Hamburger Rappers Holger Burner wurden Videoclips zum Widerstand gegen Sozialraub gezeigt. [mehr auf Indymedia] (Aktionstag in Neukölln)

Freitag, April 28, 2006

noch mehr faire Schuhe

Vor einiger Zeit habe ich ja hier über die Fair Trade Sneaker von Adbusters geschrieben. Nun bin ich über einen Weblog-Eintrag auf einen weiteren Anbieter fair produzierter schöner Schuhe gestoßen. Das Faire Schuhregal füllt sich also. Leider sind die Schuhe soweit ich weiß in Deutschland nicht erhältlich. Wer was anderes weiß, schreibts als Kommentar ;-)

mehr zum Thema:
Reduce your Foodprint - Faire Schuhe (3)
Faire Schuhe

Donnerstag, April 27, 2006

Zwangsverhältnisse optimiert

Die Bundesregierung will mit dem SGB II-Optimierungsgesetz Erwerbslose stärker unter Druck setzen.

Noch vor der Sommerpause - und clevererweise während der Fußball-WM - soll nach Willen der Bundesregierung ein neues Repressionsinstrument für Erwerbslose durch Bundestag und Bundesrat gezogen werden. Wenn der Zeitplan eingehalten werden kann, soll das SGB II - Optimierungsgesetz - wie es im bundesdeutschen Neusprech heißt - schon im August in Kraft treten. Betroffen sind vor allem Hartz-4-EmpfängerInnen - aber auch Lohnarbeiter bleiben nicht verschont: Das Gesetz zielt auf die Vergrößerung des Niedriglohnbereichs der sich auch "Normalarbeiter" nicht entziehen können.

Um dieses Ziel zu erreichen wurden 56 Änderungen erarbeitet, die in einem Arbeitspapier veröffentlicht wurden. Die Optimierungen reichen von der Kürzung der Vermögensfreibeträge über die Prüfung der "Arbeitswilligkeit" durch abschreckende Sofortangebote bis hin zur Schaffung der gesetzlichen Grundlagen zur Abfrage und Ausspitzlung der "Kunden". "Arbeitswillige" indes haben kaum eine Möglichkeit wirklich einen angemessen bezahlten Job zu finden: den fünf Millionen Erwerbslosen stehen ohnehin nur 550.000 offene Stellen gegenüber. Das Ziel der Vollbeschäftigung kann also kaum erreicht werden. Worum es tatsächlich geht verrät der Bund der Arbeitgeber: Ziel sei es, laut Alexander Gunkel, "einen Anreiz zur Aufnahme niedrigentlohnter Tätigkeiten zu schaffen". Der Niedriglohnarbeitsmarkt soll mit Hilfe der Bundesregierung weiter ausgebaut und manifestiert werden. Die Schaffung eines gefestigten Niedriglohnbereichs wirkt indess auch auf die so genannten "Normalarbeitsverhältnisse". Die Angst der LohnarbeiterInnen den Job zu verlieren und in unsichere Verhältnisse abzurutschen vergrößert die Macht der Arbeitgeber und die Möglichkeiten Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Gewerkschaften werden zwischen den Fronten zerrieben. Willkommen in prekären Zeiten.

Erwerbsloseninitiativen und linke Gruppen und Parteien rüsten sich derweil zum Widerstand. Unter dem Motto "Schluß mit den 'Reformen' gegen uns!" ist zum 3. Juni eine Bundesweite Großdemo in Berlin geplant. Bleibt zu hoffen, dass sich währen der Fifa-WM überhaupt eine Protestdynamik entfalten kann. Wenn ganz Deutschland in bierseeliger Feierlaune ist, könnte es passieren, dass der Protest glattweg verschlafen wird.

Mittwoch, April 26, 2006

Polizei sammelt Müll


Laut einem Bericht auf ((i))ndymedia sollen auf einer Demo gegen den Anti-Graffiti-Kongress DNA-Spuren der Teilnehmer gesammelt worden sein.

Nach Aussagen des Beobachters haben Zivil- und uniformierte Beamte während der Demo Zigarettenstummel, Getränkedosen und Papiertaschentücher eingesammelt, die von Demonstranten weggeworfen wurden. Anscheind soll eine DNA-Datei über Graffiti-Sprüher erstellt werden, um das Netz enger ziehen zu können. In Verbindung mit Fingerabdrücken und DNA-Spuren an "Tatorten" sowie den obligatorischen Videoaufzeichnungen auf der Demo könnte das Raster nach und nach engmaschiger werden.
Toll, dass die neue Kriminaltechnik nicht nur ausreicht um Sexual- und Gewaltstraftäter dingfest zu machen, was ja schon durchaus legitim ist, nein auch die Kunstszene der sonst so liberalen Hauptstadt ist nun im Visier der Hightech-Ermittler.
keep on colourspreading, graphart ain´t no crimething!
Mit den einzelnen Kippenstummeln und Getränkedosen kann die Polizei eigentlich nicht viel anfangen. Aber immerhin hat sie jetzt die DNA-Proben eines Teils der Berliner Graffiti-Szene. Die Demo hat den Behörden somit einen guten Dienst erwiesen. Bin gespannt, wann diese Methoden auf Antifas angwendet werden...

Dienstag, April 25, 2006

Auf der Flucht

Ein Online-Rollenspiel soll Schülern die Situation von Flüchtlingen nahebringen.

Spätestens seit dem Sturm auf die Grenzen der spanischen Enklaven Melilla und Ceuta ist das Thema Flucht und Vertreibung im kollektiven Bewußtsein der EU-Bevölkerung angekommen. Das UNHCR hat ein flashbasiertes Rollenspiel veröffentlicht, welches vor allem Schülern die Situation von Flüchtlingen aus aller Welt nahebringen soll: Last Exit Flucht. Der Spieler schlüpft in die Rolle eines jungen politischen Flüchtlings, der in seinem Heimatland bei einer Demonstration verhaftet wird. Nun gilt es verschiedene Etappen des Fluchtalltags zu bewältigen. Bei einem Verhör muß man zehn Fragen regierungstreu beantworten, dann aus der Stadt flüchten, den richtigen Fluchtweg suchen und einige schmerzhafte Entscheidungen treffen ("Ihr seid zu viele im Lastwagen um die Reise zu schaffen. Sechs Leute müssen aussteigen. Du mußt wählen, wer.").

Nach der gelungenen Flucht muß der Spieler eine Unterkunft und im Asylbewerberheim den richtigen Ansprechpartner finden. In der Schule gibt es kommunikationsprobleme zu überwinden. Schließlich braucht der Flüchtling einen Job und ein Handy....

Das Spiel ist zielgruppengerecht (Schüler) und die Anforderungen sind nicht sehr hoch. Für den Einsatz im Unterricht ist es wahrscheinlich gut geeignet: Der Spieler bekommt einen Eindruck, welchen Situationen ein politisch verfolgter ausgesetzt ist. Ein Lehrerleitfaden bietet pädagogische Tipps und Methoden das gelernte zu vertiefen. Wer sich mit der Flüchtlingsproblematik allerdings auskennt, ist schnell gelangweilt. Leider bezieht sich das Spiel nur auf politische Flüchtlinge. Die größer werdene Problematik der sozialen Einwanderung (wirtschaftliche Gründe oder Flucht aus patriarchalischen Strukturen) wird nicht angesprochen.

Freitag, April 21, 2006

"Die Welt zu Gast bei Feinden?"

So heißt die Überschrift eines Artikels der Tagesschau. Er berichtet über Rassismus in deutschen Stadien und wirft in der Überschrift die Frage auf, ob das Motto der Fußball-WM falsch gewählt sei, nach den rassistischen Provokationen und dem Überfall am Wochenende. Tatsächlich ist es fraglich, wie Wohl sich die WM-Besucher und Spieler trotz aller Sicherheitsvorkehrungen in der Homebase der Nazikultur fühlen werden. Der SPIEGEL stellt da schon die richtige Frage: "Warum wohnt eigentlich kein WM-Team im Osten?". Ich nehme an, weil jedes Team gern gesund und lebend wieder zu Hause ankommen will. Selbt der beliebte Reisefüher Lonely Planet warnt vor Gefahr rassistischer Überfälle in Ostdeutschland. Die Liste im letzten Post zeigt jedoch, dass Rassismus keineswegs ein typisch Ostdeutsches Phänomen ist. Deutschland zeigt gerade in der letzten Zeit, dass es für Menschen anderer Hautfarbe besser ist, sich im Herkunftsland die WM im Fernsehen anzuschauen.

Deshalb scheit die Marketingabteilung der Deutschland-AG jetzt bemüht das Image aufzupolieren. Das Thema Antirassismus wird gerade weil die "Welt" auf Deutschland schaut wieder durch die Medien gezogen. Man tut deshalb ist plötzlich schockiert und verurteilt dann doch schonmal einen fremdenfeindlichen Übergriff öffentlich. Die schöne FIFA-Fassade wird dann wohl auch zur WM aufrechterhalten. Anschließend kann der deutsche Alltag wieder einkehren.

Mittwoch, April 19, 2006

Deutsche Doppelmoral

Laut Tagesschau verurteilte heute Frau Merkel den rassistischen Angriff auf einen Menschen äthiopischer Herkunft in Potsdam als "abscheuliche und menschenverachtende Tat". Soweit so gut. Frau Merkel tut gut daran, rechtsextremistische und rassistische Verbrechen derart zu verurteilen. Doch fragt man sich, warum gerade jetzt, warum nicht letzte Woche, vorletzte Woche, jeden Tag? Das Verbrechen scheint den Osterfrieden der Politikerin / Medien gebrochen zu haben. Auch wenn nicht immer Ostern ist, sind rassistische und rechtsextreme Gewalt in Deutschland an der Tagesordnung. Scheinbar schaffen sie es nur zu Feiertagen, an denen nichts anderes zu berichten ist in die 20.00 Uhr-Nachrichten. Deshalb hier nur eine unvollständige Aufzählung der letzten Wochen:
  • Vier Unbekannte beleidigten am 11. April in Krefeld (Nordrhein-Westfalen) einen 18­jährigen türkischer Herkunft mit rassistischen Sprüchen, schlugen ihn zusammen und raubten ihn aus.
  • In der Nacht vom 5. auf den 6. April verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf eine türkische Teestube in Mülheim (Nordrhein-Westfalen).
  • Vier Neonazis im Alter von 15 bis 19 Jahren haben am 4. April in Cham (Bayern) einen 36jährigen Mann aus dem Irak beleidigt und körperlich angegriffen. Das berichtete das Coburger Tagblatt. Der Mann musste wegen Gesichtsverletzungen im Krankenhaus behandelt werden.
  • Wie die Westdeutsche Zeitung berichtet, wurde am 30. März ein Brandanschlag auf ein türkisches Bildungszentrum in der Innenstadt Dortmunds verübt. Die Brandsätze seien mög­licher­weise von selbst erloschen, das Mo­tiv der Täter sei noch unklar.
  • Ein 57jähriger verfolgte am 25. März einen Mann aus Burkina Faso mit einer Machete und brüllte rassistische Parolen. Der Vorfall ereignete sich in Magdeburg (Sachsen-Anhalt).
  • Eine zwanzigköpfige Gruppe attackierte am 24. März in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) einen Sudanesen. An einer Bus­hal­te­stel­le schlugen einige aus der Gruppe den 24jährigen.
  • Wie erst vergangene Woche bekannt wurde, sprang am 20. März in Frankfurt an der Oder (Brandenburg) ein Kenianer aus Angst durch ein geschlossenes Fenster aus dem ersten Stock der Ausländerbehörde. Man hatte ihm mitgeteilt, dass er abgeschoben werden solle.
  • In Cottbus (Bran­denburg) griffen am 18. März Unbekannte einen Mazedonier an und verletzten ihn schwer. Dies berichtete die Berliner Morgenpost. Zwei Männer belästigten den 28jährigen zunächst in einem Bus und schubsten ihn. Als der Mann aussteigen wollte, verfolgte ihn eine etwa zehnköpfige Gruppe und schlug ihn zu Boden.
und so weiter und so fort... Rassismus ist in Deutschland alltäglich. Ebenso alltäglich sollten Bürger wie Politiker ihre Antirassistische Haltung zeigen, wollen sie glaubwürdig diese "abscheuliche und Menschenverachtende Tat" verurteilen. Was die Politiker hier inszenieren ist ein weiteres Beispiel eines medienwirksamen Antifaschismus' in der Tradition des "Aufstands der Anständigen". Sollte Frau Merkel das Thema am Herzen liegen, kann sie sich Woche für Woche die neuesten "abscheulichen Taten" ihrer Volksgenossen in der Jungle World durchlesen.

Freitag, April 14, 2006

Umsonst leben. Sind Umsonstökonimien machbar?

Wie entkommen wir dem kapitalistischen Verwertungssystem am besten? Eine Antwort darauf könnten Umsonstökonomien sein. Um dieses Thema drehten sich die beiden Workshops, die ich heute auf der Autoorganisation besucht habe. Im Prinzip geht es darum die Sachen, die man zum Leben braucht jenseits des kapitalistischen Markts zu regeln. Das was in der Familie, im Freundeskreis oder in WGs funktioniert müßte sozusagen auf eine höhere Stufe gehoben werden. Dinge und Dienstleistungen müßten auch im größeren Rahmen ohne Gegenleistungen zirkulieren. Damit könnten wir uns wieder unabhängiger von Geld und somit von Lohnarbeit machen.

Ansätze hierzu gibt es in Umsonstläden und Nachbarschaftsnetzen. In vielen Städten existieren "Geschäfte", die keine Geschäfte sind, sondern Austausch und Wiederverwertungsbörsen. Wenn man etwas nicht mehr braucht, kann man es dort abgeben. Ein anderer, der es gebrauchen kann, holt es sich einfach. Geld gibt es in diesen Läden nicht. "Damit stellt der Umsonst-Laden eine wirkliche Alternative zur kapitalistischen Warengesellschaft dar, in der alles einen "Wert" hat und folglich Geld kostet." (Berliner Umsonstladen).

Der zweite Ansatz - Nachbarschaftsnetz - wird von verschiedenen Nachbarschaften praktiziert. Aus einer Genossenschaft in Prenzlauer Berg habe ich gehört, dass eine Liste existiert, was wo im Haus beim Nachbarn geliehen werden kann. Es werden Feste organisiert und Kontakte geknüpft. Die Idee der Umsonst-Ökonomie möchte darüber allerding hinaus. Funktionierende Nachbarschaften sind zwar etwas schönes, der Umsonst-Ökonomieansatz soll größere Zusammenhänge schaffen und möchte keine karitative Einrichtung sein, sondern eine Alternative zur kapitalistischen Verwertung konkret umsetzen. In Berlin wurde letztes Jahr ein solcher Zusammenhang probiert. Die euphorische Projektbeschreibung stammt wohl aus der Anfangszeit, denn es scheint inzwischen nicht mehr zu existieren. Dennoch ist der Text lesenswert und die Idee zu gut, um nicht umgesetzt zu werden. Vielleicht kommen ja aus der Autoorganisation neue Impulse für ein solches Vorhaben.

Donnerstag, April 13, 2006

Zweifelhafte Argumente
















Die Gesellschaft für Informatik kritisiert zu Recht ein Gedankenspiel des Bundesministeriums des Innern, die bei der Einführung des neuen Personalausweises entstehenden Kosten durch den Verkauf der Daten des zukünftigen elektronischen Personalausweises an Unternehmen zu finanzieren.

Leider disqualifiziert sie sich durch ihre Argumentation. Nach ihrer Meinung ließen sich aus "Fingerabdruck, Iris und Gendaten" Aussagen über "die aktuelle Gesundheit, über Anlagen zu Süchten und Erbkrankheiten bis hin zu Aussagen über die relative Lebenserwartung und über die sexuelle Orientierung von Männern" machen. Das ist nicht nur Schwachsinnig, sondern erinnert zudem stark an eine Ideologie, oder "Wissenschaft", die vor sechzig Jahren meinte, am Blut zu erkennen, wer Jude, Homosexueller oder Kommunist sei.

Auch unsere Abbildung zeigt ein historisches Anwendungsbeispiel dieser falsch verstandenen Biometrie: Bei dieser Strömung der Phrenologie erkennt man beispielsweise den Mut an der Nasenform und das Potenzial an "warmer Liebe" am Kinn.

Mit Biometrischen Daten im Personalausweis wird man jedenfalls auch in Zukunft nicht erkennen können, ob jemand schwul ist oder Krebs hat. Die Gesellschaft für Informatik sollte lieber ihre Argumente schärfen, denn mit solchem Schwachsinn werden sie kaum von Presse und Politik ernst genommen werden können.

via Symlink

Fraglich auch, was die Regierung denn da an spannenden Daten an Unternehmen verkaufen möchte? Fotos von jeder erdenklicher Person können sich die Unternehmen ja im Internet runterladen ... und Fingerabdrücke? Weiß jetzt nicht was jemand mit meinem Fingerabdruck will, und wenn mein Boss ihn will, kann er ihn von jeder Tastatur, Kaffeetasse, Türklinke ... abnehmen, die ich am Arbeitsplatz angefasst hab.

Mittwoch, April 12, 2006

In Zeiten zunehmender und zunehmend akzeptierter Überwachung und Kontrolle durch den Staat ist es doch mal beruhigend, dass es wenigstens finanzielle Grenzen gibt. Wie "Schnüffelstaat" berichtet stehen mehrere WM-Parties wegen "übertriebener Überwachung" auf der Kippe:
Insbesondere die geplante Videoüberwachung scheint für die Veranstalter finanziell kaum tragbar zu sein, zudem dürften hierdurch auch zahlreiche Besucher abgeschreckt werden. "Ein kontrollierter Zugang mit Einlaßkontrollen, eine angemessene Einfriedung des Veranstaltungsbereiches sowie eine Videoüberwachung sind unverzichtbar", war der lapidare Kommentar der Berliner Polizei hierzu.

Montag, April 10, 2006

Oekonux - Freie Software und Freie Gesellschaft

Das Projekt Oekonux untersucht das Produktionssystem Freier Software und versucht dieses auf weitere Gesellschafts- und Wirtschaftsbereiche zu übertragen. Es geht der Frage nach, ob Freie Software ein Weg in eine Freie Gesellschaft sein kann. Auch zu diesem Thema habe ich mal einen Vortrag gehalten, die Zusammenfassung findest Du hier (pdf-Datei).

Autoorganisation

Da ich schon dabei bin, Psychoglobal mal wieder zu aktualisieren, möchte ich euch die Veranstaltung Autoorganisation, welche kommende Woche in Berlin-Friedrichshain stattfindet, empfehlen. Bei dieser "Konferenz" wird es vor allem um selbstorganisierte Zusammenhänge gehen... DIY or die... Vor allem interessant finde ich den Workshop zu Umsonstökonomien, die ich als wichtigen Baustein zur Überwindung der planetaren Arbeitsmaschine sehe. Auch interessant: "Wohlfühl-Nischen oder Infrastruktur für einen gesellschaftlichen Widerstand? - Kritik an dem Freiräume – Ansatz!" -- leider Zeitgleich mit den Umsonstgeschichten...

Sonntag, April 09, 2006

Produkte die wir auch nach dem Kapitalismus nicht missen wollen (2)

Es ist 3 Uhr morgens, ein paar Biere sind bereits hintergekippt, langsam werde ich träge, kann die Beats nicht mehr klar voneinander trennen, brauche... Na klar: Club-Mate. Was dem Mitte-Clubber sein Koks und dem Kleinstadtraver sein Ecstasy, was dem Genießer sein Kaffee und dem Gesundheitsfreak sein Grüner Tee - das ist dem Friedrichshainer sein Club Mate.

Wieviele durchgemachte Nächte hat uns das goldene Erfrischungsgetränk schon beschert, wie oft wurde der Satz "Nee, ich geh heut nich weg, ich bin müde" mit einem Todschlag-"Trink doch nen Club Mate" erwiedert?

So manche nächtliche Sitzblockade hätte ohne Club Mate garnicht stattgefunden. Auch morgendliche Gegendemos gegen Naziaufmärsche konnten dank Club Mate fit und erfrischt absolviert werden.

Auch wenn es kaum noch Sitzblockaden und Naziaufmärsche geben wird: nach der Revolution wollen wir ausgelassen feiern... Club Mate sollte auf jeden Fall dabei sein.

DIY or die

Die postmoderne Konsumgesellschaft in der Warenkonsum der Ausdruck der Suche nach Glück ist, produziert vor allem eins: Wohlstandsmüll. In der BRD fallen jährlich ca. 400 Millionen Tonnen Müll an. Jede Schraube wird einzeln verpackt, der iPod landet nach 3jährigem Gebrauch im Sondermüll, da die nächste Kuh durchs Einkaufszentrum gejagt wird. Dabei lässt sich der gemeine Konsument von vermeindlichen Bedürfnissen leiten, die darauf abziehlen, ihn an den Markt zu binden. Der Billig-Boom ist nur die krasse Spitze eines sich immer schneller drehenden Konsumkarussels: Wenn die Kaufkraft sinkt wird steigender Konsum mit billigeren, schlechteren Produkten erzeugt. Wer noch einen Plattenspieler, ein Auto oder ein Fahrrad aus den 60ern hat, weiß was ich meine: Der Plattenspieler meines Vaters, den er sich angeblich von seinem ersten Lehrlings-Ersparnissen gekauft hat, läuft immer noch. Ein Sony-Plattenspieler, den sich meine Eltern Mitte der 90er Jahre gekauft hatten, war nach 3 Jahren Schrott.

Wie entkommen wir der Konsumfalle?

Die von der Industrie erzeugten Bedürfnisse erreichen uns alle. Vor zehn-fünfzehn Jahren hat wahrscheinlich niemand ernsthaft geglaubt, ein Handy zu brauchen. Der mp3-Player mit seiner Gigabyte-Festplatte - heute Grundausstattung eines jeden urbanen Penners - war noch nichtmal Science Fiction. All diese kleinen Gadgets, die unser Leben leichter und unabhängiger machen sollen gehören heute zur den Standart-Wünschen der Konsumenten. Und sie alle erzeugen (Elektro-)Schrott und leere Geldbörsen. Um sich ein Stück vom Lebensstandard zu kaufen müssen wir ein Stück unseres Lebens an die Industrie verkaufen, die uns wiederum den Schrott für unser Glücksgefühl verkauft...

Ein Ausweg daraus könnte Eigenproduktion sein. Auf der Seite "SelberMachen" im CoForum werden alle möglichen DoItYourself-Anleitungen gesammelt. Die Bandbreite reicht hier vom Videobeamer im Eigenbau über Marmelade bis zum Möbelstück. Eigenproduktion bietet gegenüber der Versorgung über den Markt verschiedene Vorteile: Es ist direkte Arbeit am Produkt - anstelle entfremdeter Tauschbeziehungen. Ein Glücksgefühl wird durch das selbstgemachte Ding und die Freude darüber erzeugt und es bietet die möglichkeit den Wohlstandsmüll zum Rohstoff für neues zu machen. Das Wiki Upcycling.org sammelt hierzu Ideen und Anregungen. Upcycling bedeutet, dass die Rohstoffe ("Müll" und "Schrott") durch Wiederverwertung eine Aufwertung erfahren. Auch die Heftreihe Einfälle statt Abfälle von Christian Kuhtz bietet wertvolle und vor allem einfach verständliche Anleitungen zur Abfall-Wiederverwertung.

Donnerstag, April 06, 2006

Neues Glück? Der Euromayday soll Gewerkschaftsdemos und 1. Mai-Krawalle ablösen

Alle Jahre wieder fragt sich ja ganz Berlin, was man am ersten Mai machen soll... Gewerkschaftsdemo? Lahm und unspektakulär. Nazi-Aufmarsch verhindern? Ja das könnte ne Option sein. Steinewerfen in der O-Straße? Naja, wird nach fast 20 Jahren auch langweilig und ist ohne politische Aussage. Volksfest? Bier und Grillen kann man zu Hause billiger...

Die Organisatoren vom Euromayday wollen Politik, Spaß und eine Mehrheit der eingeschlafenen Ausgequetschten wieder auf die Straße holen. Das vereinende Thema der Tanz-Demonstranten ist die zunehmende prekarisierung von Arbeitsverhältnissen. Darunter versteht Wikipedia "mit geringer Arbeitsplatzsicherheit, niedrigem Lohn, Teilzeitbeschäftigung, befristeten Verträgen und mangelndem Kündigungsschutz".

Es ist also das Thema, das Frankreich seit Wochen beschäftigt. Hier protestieren seit einiger Zeit vor allem junge Menschen gegen die Einführung des CPE - eines Gesetzes dass den Kündigungsschutz für unter 26 Jährige in den ersten zwei Jahren streichen soll.

In Deutschland wurde ein solches Gesetz von der Großen Koalition ohne viel Medienrummel einfach durchgebracht - keiner hats gemerkt. Der Euromayday soll erstmals wieder eine breite, bunte Bewegung in auf Berliner Straßen bringen, die von solchen prekären Bedingungen betroffen sind. Dazu gehören nicht nur die Kids, die aufgrund der neuesten Arbeitslosengesetze bis zum 26. Lebensjahr bei ihren Eltern wohnen müssen. Auch unbezahlte Praktikanten, 1-Euro-Jobber oder niedriglohn-Dienstleister sollen sich angesprochen fühlen. Die Working Poor erheben sich zur bunten lauten Straßenparade.

Die Nachtleben-Antifa hat gezeigt, dass sich durch neue, innovative Protestformen wieder Menschen auf die Straße bringen lassen.

Bleibt zu hoffen, dass diese nicht ein alternativer Karneval der Kulturen, oder die Wiederauflage der Loveparade wird. Protest ist dringend angesagt. Wo bleiben die französischen Verhältnisse?

Hier gibt es einen Videobeitrag zum Thema (aus Hamburg).

Frithjof Bergmann und die neue Arbeit

Vor kurzem habe ich einen Vortrag über Frithjof Bergmanns Konzept der Neuen Arbeit gehalten. Bergmann versucht mit seiner Idee einen Ausstieg aus dem Job-System zu finden. Eine Zusammenfassung des Vortrags findet ihr hier (Open Document Format - OpenOffice 2.0).