Die Revolution ist das größte, alles andere ist Quark.
Rosa Luxemburg

Dienstag, Mai 30, 2006

Geek-Kram: Fernseher 2.0

Die Jungs vom Chaosradio reden morgen vom Fernsehen 2.0. Die Zukunft des Fernsehens. Das Internet raubt den alten Contentprovidern Nutzerzahlen und Einschaltquoten, Videopodcasts bieten gratis-Entertainment ohne Werbung und ohne GEZ-Pflicht. Die GEZ sieht sich ihrerseits im Zugzwang und verlangt ab 2007 Gebühren für PCs mit Internetzugang.

Im Netz gibts inzwischen viele Möglichkeiten das volle TV-Programm zu empfangen. Über Peer To Peer-Broadcast lassen sich PayTV-Inhalte schauen und auch wer keinen Fernseher mit Videorecorder hat, kann sich von einem Online-Videorecorder Filme und Serien aufzeichnen lassen.

Einer dieser Dienstleister ist Onlinetvrecorder.com. Hier kann jeder seinen Videorecorder programmieren und die Sendung anschließend herunterladen. Rechtlich ist der OTR in einer Grauzone: Schließlich stellt er urheberrechtlich geschützte Inhalte zum Download bereit. Da jeder Benutzer aber nur die Sendungen downloaden kann, die er auch programmiert hat, gleicht er einem ganz normalen Videorecorder, bei dem das aufzeichnen von Sendungen ja erlaubt ist. Die Dateien sind kodiert und können nur mit den eigenen Zugangsdaten über einen speziellen Decoder daheim auf dem Rechner decodiert werden.

Das Programmieren der Sendungen ist relativ komfortabel. Entweder geht man über eine Suchmaschine, in die man den Titel eingibt - oder man wählt die Sendung komfortabel über eine digitale Programmzeitschrift aus.

Da die Downloads limitiert sind und die Decodierung vor allem auf älteren Rechnern seine Zeit in Anspruch nimmt, kann es eine Zeit dauern bis die Sendung dann startbereit auf der Festplatte liegt. Für populäre Sendungen gibt es allerdings Mirrors. Alle Dateien werden außerdem automatisch in das Emule-Netzwerk eingestellt, so dass man auch jenseits des Limits downloaden kann.

Alles in allem ist es jedoch trotzdem etwas umständlich das Fernsehprogramm auf diesem Wege aufzunehmen. Ein Videorecorder erledigt das ganze schneller und in einer besseren Videoqualität. Für Menschen ohne Videorecorder ist der OTR jedoch durchaus eine Alternative - vor allem wenn man nur ab und zu mal einen Film aufnehmen möchte. Ansonsten ist OTR eher was für Geeks. Für Fernsehlose dürfte dieser Dienst GEZ-Pflichtig oder illegal sein.

Mittwoch, Mai 10, 2006

Schrebergarten statt Schloß

Hab gerade in der Jungle World gelesen, dass die taz einen Schülerwettbewerb für die zukünftige Freifläche unter dem dann abgebauten Palast der Republik ausgerufen hat. Auch laut Beschluß des Bundestages soll ein Wettbewerb für eine "gärtnerische Nutzung des Geländes" ausgeschrieben werden. Na wenn das nicht meine Fantasie beflügelt.

Wie wäre es mit einem Community- oder Stadtgarten, der für Interessierte offen ist. An diesem sonnigen, warmen Standort mit Kanalanschluß könnte man wunderbar Tomaten, Gurken und Apfelbäume anpflanzen. Durch ein geschicktes Bewässerungssystem bräuchte man nichtmal jeden Tag zum Gießen hin. Genügend Orte zum Liege- und andere Stühle aufzustellen um gemütlich seinen Schrebergartenkaffee zu trinken (meinetwegen auch Latte Machiatto) sollten natürlich auch vorhanden sein.

Kleingartenidyll am Standort des ehemaligen Palast der Republik, Berlin-Mitte

Mitte könnte weiter zurückgebaut werden. Das Aquarium-Hotel eignet sich sicher hervorragend als Fischzuchtbecken. Die Straße Unter den Linden sollte aufgerissen und in ein Kartoffelacker umgenutzt werden. Wenns Wochenlang nicht regnet rufen wir die Polizei und ihre Wasserwerfer. Velotaxis könnten über Feldwege holpern. Touristen machen statt Stadtbummel Urlaub auf dem Bauernhof. Das Kaufhaus am Alex wird zum ersten bolo umgebaut. Berlin-Mitte wird zum Modell-Kiez für städtische Selbstversorgung.

Buchtipp: No Copy

Woher kommen eigentlich die ganzen Alben und Filme in den Tauschbörsen? Wer hat den Kopierschutz der beliebten Software geknackt? Welchen Weg nimmt eine Raubkopie vom Cracker zum Endbenutzer? Diesen und anderen Fragen gehen Jan Krömer und Evrim Sen in ihrem Buch "No Copy" nach.

Die Autoren verweisen auf die Hackerethik der ersten Programmierergeneration, die aussagt, dass Softwaretausch eine Art Nachbarschaftshilfe sei. Die Geschichte der Freien Software wird ein weiteres mal erzählt - nicht ohne die beliebte Legende von Richard Stallmans Papierstau zu erwähnen. Sie stellen die Hackerethik in Zusammenhang mit den Bemühungen der Cracker-Szene: Hier wie dort geht es um freien Zugang zu Wissen und Software. Wo allerdings die Free-Software-Hacker auf offenem Quellcode beharren entfernen Cracker lediglich den Kopierschutz. Immerhin machen sie geschützte Software entgeldlos zugänglich.

Durchaus interessant ist die Beschreibung der Cracker-Szene, ihrer internen Regeln und des Wettbewerbs, den Cracker weltweit um den Titel der schnellsten Veröffentlichung führen. Krömer und Sem stellen die Cracker als edle Piraten dar, die allein Interesse am Wettkampf haben. Die "bösen" sind demnach diejenigen, welche die Software aus der Crackerszene in Tauschbörsen oder auf öffentliche FTP-Server stellen. Auch diese Themen werden umfangreich behandelt. Die Content-Industrie wird für ihre Marketing- und juristischen Kampagnen scharf kritisiert. Im Anhang finden sich diverse Interviews u.a. mit Lawrence Lessig, dem Begründer der Creative Commons.

Als Übersichtswerk ist dieses Buch empfehlenswert. Auch wenn manche Dinge schon oft berichtet wurden (wie z.B. die Entstehungsgeschichte Freier Software oder die Spekulationen über das "Ende der Musikindustrie") hat es durchaus (für nicht Szener) neues und interessantes zu berichten. Wer es lesen will, kann es gern von mir leihen.

Montag, Mai 08, 2006

Chatroom-Krimi

Einen Film über Internetcommunities zu drehen ist schwierig. Kontakte und Aktionen finden ja rein virtuell statt, die Orte an denen Menschen sich im Internet begegnen sind Foren, Chats oder Weblogs. Hier ereignen sich Geschichten und Dramen, die schwer in Bildern sichtbar gemacht werden können.

Eine virtuelle Szene zum Beispiel ist die Cracker-Szene. Diese über den ganzen Globus verstreute Community, die in einer Art weltweitem Wettbewerb Kopierschütze knackt, kommuniziert fast ausschließlich über Chats. Jun Group, Inc. hat den Versuch gemacht, ein Drama welches sich in dieser rein virtuellen Welt der Chats abspielt zu verfilmen. Ein Mitglied der Cracker-Gruppe verstößt gegen den Szene-Kodex indem er einen gerippten Film an Raubkopierer in Signapur verkauft. Die Online-Serie "The Scene" beschreibt den inneren Aufbau dieser Szene und gibt tiefe einblicke in die Welt der Cracker. Sie fängt dabei eindrucksvoll die Mechanismen und sozialen Interaktionen auf, die sich nur im Chatroom abspielen. Der gesamte Film spielt sich auf einer Windows-Oberfläche mit Chat-Fenster ab. Dialoge werden fast ausschließlich getippt. Nur ein kleines Webcam-Fenster in der oberen linken Ecke des Bildschirms zeigt den Protagonisten.

Dabei zeigen die Produzenten, wie es gelingen kann ein spannendes Drama aus dem Chatroom in einen Film zu packen. Die 19 Folgen der Onlineserie können von der Website oder aus diversen Tauschbörsen kopiert werden. Sie stehen unter einer Creative Commons Lizenz.

Donnerstag, Mai 04, 2006

Wohnst Du noch oder räumen sie schon?

Um keine Vorlage für größere Proteste gegen Hartz IV zu liefern war es um die soziale Lage der ALG-II-Empfänger im ersten Jahr ganz ok bestellt. Keine großen Meldungen zu unmenschlichen Forderungen, keine Umzüge aufgrund zu hoher Mieten. Das einzige, was zu hören war, waren die üblichen Beschimpfungen. Anscheind - so will es die Propaganda aus den Regierungsreihen - geht es den Erwerbslosen noch zu gut. Sie haben zu viel Freizeit, zu viel Geld und zu große Wohnungen.

wohnst du noch...

Im Schatten der Fußball-WM und in Zeiten allgemeiner Lethargie wittern die Ämter nun die Chance, die Gesetze endlich "richtig" umzusetzen. Ein Problem von vielen, mit denen sich Erwerbslose ALG-II-Empfänger nun auseinandersetzen müssen ist der angemessene Wohnraum. Noch vor einem Jahr - also kurz nach der Einführung von Hartz IV - behauptete die Berliner Sozialsenatorin:
Was wir regeln können, werden wir sicher nicht rigide regeln. Zum Beispiel die Wohnungsfrage: Wir wollen keine Zwangsumzüge [...]
In Berlin sind laut "taz" tatsächlich noch keine Zwangsumzüge durchgeführt worden. Allerdings seien allein "in Neukölln [...] schon 169 Überprüfungsverfahren anhängig". Der Deutsche Mieterbund ging im Dezember 2005 davon aus, dass in diesem Jahr deutschlandweit mindestens 500.000 Menschen umziehen müssen. Die JobCenter müssen angesichts der Kosten für Hartz IV sparen, sparen, sparen. Wer tatsächlich den "Gürtel enger schnallen" muß, sind am Ende die Empfänger von ALG-II.

Dies wird wohl zunächst schrittweise geschehen: Betroffene mit zu teuren Wohnungen werden aufgefordert, ihre Wohnkosten zu senken. Als ob es in ihrer Hand läge, dies zu tun. "Herr Vermieter, meine Wohnkosten sind zu hoch, wie wärs mit einer Mietminderung?" Beeinflußbar sind maximal die Nebenkosten, aber auch die Stom- Gas- und Wasserpreise liegen schließlich nicht in der Hand des Verbrauchers. Wohnkosten senken heißt am Ende doch, in eine billigere Wohnung zu ziehen - oder Häuser besetzen.

...oder räumen sie schon?

Zwangsumzüge könnten allerdings nicht nur für die Betroffenen - sondern auch für die Gesellschaft zum Problem werden: Wenn ärmere Bevölkerungsschichten in billigere Wohnungen ziehen müssen, setzt sich die Sortierung der Stadtbevölkerung fort: teure Innenstadtquartiere werden für reiche Juppies herausgeputzt - der Hartz-IV-Pöbel in billige Wohnsiedlungen gesteckt. Hartz IV beschleunigt die Erzeugung neuer "Problemkieze". Banlieues, wie sie aus Frankreich bekannt sind, werden zur Zukunftsnormalität, die ersten Erscheinungen dieser Entwicklung sind aber auch hier schon präsent - die Stichwörter "Rütli-Schule" und "rechte Gewalt" sollten genügen.

Aber, wie die Goldenen Zitronen singen, wird sich nichts ändern "weil wir einverstanden sind". Um dem Abzuhelfen und zu zeigen, dass nicht alle einverstanden sind mit den aktuellen Zumutungen gegenüber sozial Randständigen wurde eine Kampagne gegen Zwangsumzüge ins Leben gerufen. Sie betreibt unter anderem ein kostenloses Notruftelefon für Berliner (0800/ 27 27 27 8). Unter dieser Nummer können sich vom Umzug bedrohte Menschen informieren und Hilfe anfordern. Bundesweit gibt es noch weitere Umzugshotlines.
Dort informieren wir die Betroffenen über ihre Rechte und strategischen Möglichkeiten [...] Außerdem versprechen wir, dass wir Zwangsräumungen aktiv verhindern werden. Wir werden uns einfach mit mehreren 100 Leuten vor die Haustür stellen und den Umzugsunternehmer nicht hereinlassen. (Quelle: taz)
Sollten die Besitzer allerdings alle Mittel ausschöpfen, sind auch mehrere 100 Leute kein problem für die fleißigen Amtshelfer.

Mittwoch, Mai 03, 2006

Produkte die wir auch nach dem Kapitalismus nicht missen wollen (3)

Lange Zeit war ich skeptisch gegenüber diesem Gerät. Ich meinte mit Muskelkraft und Motivation alles erreichen zu können und so quälte ich mich - und zahllose Schraube mühevoll langsam und verbissen in Holz und Wände. Heimwerken war eine Strafe, das war klar. Aus den Stücken, die ich tatsächlich gebaut hatte lugten scharfkanntige Schraubenköpfe hervor und zerrißen einem die Hosen. Hochbettleiterbesteigen war bei mir ein risikoreicher Fakir-Job. Und dann war er da: Ein Kumpel, der als prekärer Niedriglohn-Messearbeiter sein dasein finanzierte konnte ihn nicht mehr gebrauchen: Der Billig-Akkuschrauber - so meinte dieser Kumpel - sei im Gegensatz zu den Bosch-Teilen seiner Kollegen einfach zu lächerlich.

Skeptisch hielt ich das Gerät in den Händen: ein Akkuschrauber. Betrachtet von allen Seiten sah das Ding garnicht so schlecht aus: richtig Heimwerker-DoItYourself-Mäßig kam ich mir vor - Mächtig in der Welt der Schrauben und Dübel. Ich mußte ihn ausprobieren und schraubte wild drauf los: hier ein paar Schrauben in die Tischplatte, dort einen Schrank abgebaut, das Hochbett ordentlich verschraubt - alles war plötzlich so einfach wie butterschneiden.

Nachdem ich meine Wohnung zerlegt und wieder zusammengeschraubt hatte war klar: der Akkuschrauber sollte die Zeit der Revolution überdauern. Hoffentlich macht ers noch so lange, dann verschraub ich euch alle Barrikaden, ruft einfach an.

(Foto: sirstick)

Dienstag, Mai 02, 2006

Flashgame zum Riot

Alle berichten heute, dass es der friedlichste erste Mai seit Jahren war. Die Medien hatten sich anscheind schon auf Randale gefreut, so dass sie sich in diesem Jahr auf jede brennende Mülltonne stürzen mußten. Fazit der meisten Medien, sowie des Innensenators Eckard Körting ist, dass es mit den traditionellen Erste Mai Riots vorbei ist. Wer das kollektive Steinewerfen und den Duft brennender Autos vermißt, kann auf ein Flashgame von Extrajetzt zurückgreifen: Hier wird nochmal ein "echter Kreuzberger erster Mai" simuliert, mit Steinewerfen, Feuerlegen und vielen Polizisten.

Gelungene 1. Mai-Parade in Kreuzberg

Zum ersten mal tanzte am ersten Mai der Euromayday durch Berlin.

Traditionsgemäß
geht der linke Mensch am ersten Mai in Berlin-Kreuzberg demonstrieren. Dieses Jahr fand hier zum ersten mal die Euromayday Parade statt. Das Bündniss aus politischen und sozialen Initiativen hatte unter dem Motto "Für soziale Rechte weltweit!" zu einer lauten, bunten Tanzdemo aufgerufen. Über 6000 (lt. Demo-Orga), mindestens aber 2500 (rbb) überwiegend junge Menschen sind dem Aufruf gefolgt.

Ab ca 16.00 Uhr versammelten sich Studenten, Erwerbslose, Schüler, Niedriglohnarbeiter, Computerfreaks, Technofans, Rastas, Hippies, Anarchisten und andere Alternativmenschen am Spreewaldplatz zum Demoauftakt. Pünktlichkeit war nicht geboten, denn der Demozug setzte sich erst gegen 17.00 Uhr in Bewegung. Vorher gab es diverse Rede- und Grußbeiträge aus aller Welt. Angenehm fand ich, dass auch Reden auf spanisch und italienisch gehalten wurden. Dies unterstrich den planetaren Anspruch des Mayday-Netzwerks.

Der Zug der prekarisierten bewegte sich durch Kreuzberg und Neukölln. Auf der Wegstrecke wurde die Musik immer wieder unterbrochen um die politischen Forderungen deutlich zu machen. Diese Aufzählung klang allerdings nach einem allzu beliebigen Mix aus linken Forderungen ("Gegen Abschiebung, gegen Hartz 4, gegen Zwangsumzüge, gegen Ausgrenzung, gegen gegen gegen..."), auch wenn ich jede dieser Forderungen unterstützen würde. An der wegen eines Hilferufs der Direktorin an den Berliner Senat bekannt gewordenen Rütli-Schule gab es eine Zwischenkundgebung auf der auf die Zusammenhänge von sozialem Status und Bildungschancen aufmerksam gemacht wurde.

Am Hermannplatz schließlich war ein Umsonstbufet aufgebaut und es gab ein Konzert.
Ich fand diese Demo durchaus sehr angenehm. Keine politsektiererische Propaganda, zahlreiche Teilnehmer und gute Musik. Spaß kann auch Politik machen. Nach dem Fest ist es allerdings an der Zeit wieder an echten gesellschaflichen Alternativen zu bauen. Wenn es bei einer politischen Loveparade allein bleibt, droht der EuroMayday zu einer weiteren Touri-Attraktion ala Karneval der Kulturen zu werden - und wer macht schon gerne den prekären Gratis-Job für's Berlin-Marketing?